Donnerstag, 7. Februar 2019

Antarktis, unser Fazit


Wie üblich hat jeder von uns sein Fazit unabhängig voneinander geschrieben!

Uwe:

Wir gehören da definitiv nicht hin! 














Wir haben uns in vielen Vorträgen auf dem Schiff  (und auch schon davor) angehört, was wir alles kaputt machen auf dieser Welt, in der Antarktis im Speziellen und wie empfindlich das antarktische Ökosystem ist, wie sehr die Wale, die Pinguine, die Robben und die Vögel, ja selbst das Moos -es braucht 100 Jahre um 1 cm zu wachsen und wenn wir drauftreten ist es kaputt- unter dem „Besuch“ des Menschen leiden. Vom ökologischen Fussabdruck, den wir hier hinterlassen ganz zu schweigen. Und trotzdem boomt der Tourismus in der Antarktis ungebrochen. Immer größere Schiffe (Vorteil: In der Drake Passage schaukelt es nicht so) brechen von Ushuaia aus auf, um immer mehr Passagiere immer weiter südlich zu bringen. Zum Glück gibt es Regularien die einen ungehemmten Ansturm auf jede Robbenbank, Pinguinkolonie oder Gletscherbucht versuchen zu verhindern. Aber allein die 20 Zodiakfahrten von der Plancius an Land jeden Tag oder das permanente Laufen der Dieselmotoren an Bord hinterlassen Spuren in jeder Bucht. Ganz abgesehen von den Touristen, die gerne mal die Pinguin Highways verstellen um ein tolles Selfie mit trollig watschelndem Pinguin zu machen. Die Pinguine die dann einen Umweg machen müssen, brauchen mehr Energie, fangen weniger Fische und können ihren Nachwuchs nicht richtig versorgen. Das bringt Stress, öffnet das Nest für die Raubvögel und reduziert ihre Überlebenschancen.
Egal. Es gibt ja genug. 
So wie es einmal mal genug Wale gab um mit deren Blubber (Walfett) die Strassenlampen von London mit Walöl zu befeuern. Bis das Abschlachten der Wale sich nur noch im großen Maßstab rentierte, weil die Preise für Walprodukte ins Bodenlose gefallen waren. Als es dann keine Right-Wale mehr gab (Right, weil sie von selbst auf dem Wasser schwammen wenn sie tot waren und so von Bord aus zerlegt werden konnten) kamen die Blauwale dran (die größten lebenenden Säugetiere, die nach dem Harpunieren mit Luft aufgeblasen wurden, sonst wären sie unter gegangen) und als die fast ausgerottet waren, nach und nach immer kleinere Wale. Inzwischen (ab ca. 1920) mit industriellen Fang- und Zerlegungsmethoden, von denen sich noch keine Walart bis heute wirklich erholt hat.
Auch deshalb komme ich von diesem „Ausflug“ zurück mit einem schaalen Gefühl. Alles gerät offensichtlich gerade durcheinander. Das Klima, die Polkappen, die Ökosysteme und mir scheint so, als ob man sich dazu entschlossen hat, vor dem Zusammenbruch noch schnell einmal möglichst viel Profit zu machen (wie 1920 mit den Walfängen, nur auf eine „smartere“ Art). Z.B. mit Krill, dem Grundnahrungsmittel in der antarktischen Nahrungskette -den es dem Anschein nach im Überfluss gibt-, der jetzt von Fangflotten vor den Mäulern der sich regenerierenden Wale weggefangen wird, damit die Fischfarmen in Norwegen damit ihren antibiotikaresistenten Lachs aufziehen können. Oder den Touristen, die angesichts der Lebensfeindlichkeit dieses Kontinents erschauern können, bei den Geschichten von Scott, Amundsen und Shakelton und sich gerne ein bisschen wie diese Pioniere fühlen sollen, aber bitte mit allen Ahnnehmlichkeiten.

Allerdings: Auch wenn wir den Kontinent nur „gestreift“ haben, dass was wir von der Antarktis gesehen haben, war mir vorher unvorstellbar, war zutiefst eindrucksvoll, teilweise im wahrsten Sinne des Wortes ungeheuerlich aber vor allem wahnsinnig schön. So schön, dass ich gerne wieder einmal hier her kommen würde, aber gerne ohne 57 Crewmitglieder die versuchen 113 Touristen aus aller Welt diese Reise so angenehm wie möglich zu machen. Fragt mich nicht, was ich mir genau vorstelle, aber die wenigen Momente in denen ich nur den Wind, das Eis, die Wellen und die Ureinwohner gesehen und gehört habe und ich weit weg war von der Reisegruppe, waren magisch. Näher kann man wohl -und das scheint das Faszinierendste an der Antarktis zu sein- der Wildheit, dem Chaos und der Ästhetik der Schöpfung nicht kommen.

Sylke:

Wie schön ist die Welt.














Ich sitze zwar aktuell bei 35 Grad an den Wasserfällen in Iguazu, aber ich staune irgendwie immer noch, ob dieser Eiswüste in der Antarktis. Ich habe ein paar Reiseberichte gelesen und bin ein bisschen trauig. Warum? Weil ich dieses Gefühl von Unwirtlichkeit, Einsamkeit, unendlicher Weite, mega Gedankenspiele, Freiheit und Glück nicht hatte, wie angeblich andere Leute. Vielleicht bin ich dafür zu sehr rational, Ingenieurin, Kopfmensch. Mir hat es einfach nur gefallen dort. Wenn man jetzt das üppige Grün hier sieht mit dem strahlend blauen Himmel, dann fällt einem dieser Kontrast ganz besonders auf.
Nach jeder Weiterbildung, jeder Fastenwoche, jedem eindringlichen Artikel in der Zeitung - ich will immer mal wieder die Welt ändern. Jetzt gerade auch. Klimawandel, Treibhauseffekt, abschmelzende Gletscher. Unsere Generation trifft das nicht. So ein Menschenleben ist ja auch nur ein Fliegenschiss in der Zeitscala (...nicht mal das wahrscheinlich).
Aber kann ich die Welt verändern, wenn ich meinen Biomüll statt in Bioplastiktüten in Zeitungspapier einschlage? Gehe ich zukünftig mit Körbchen zum Einkaufen und lege das Gemüse ohne Folie rein? Wohin hefte ich dann den Barcode? Auf meine Stirn? 
Eine Reise in die Antaktis ist wirklich etwas besonderes. Ein bisschen teuer, aber im Vergleich zu unserer Overland-Truck-Reise hatten wir auch mehr Komfort. 
Wie lange werden die Pinguine noch so arglos gegenüber den Menschen sein? Das Antaktisabkommen gibt es schon seit den 50er Jahren. Niemandem gehört der Kontinent, keiner hat Ansprüche. Es wird gemeinsam geforscht in Bezug auf die Vergangenheit und die Zukunft. Geht doch! Da sollten wir uns in unserem normalen Staaten-Miteinander mal eine Scheibe abschneiden.
Schade, dass ich so eine Null in Englisch bin (ist aber gar nicht sehr aufgefallen). Es ist auch mal schön, die anderen reden zu lassen. Seltsam, niemanden hat wirklich gemerkt, dass ich so gut wie nie was gesagt, sondern immer nur „zugewandt genickt" habe. Ich hätte mich gern mit der Schiegertochter von Marcel Reich-Ranicki mehr unterhalten. Oder dem Professorenehepaar, aus San Francisco, wobei er wie der Weihnachtsmann persönlich aussah und sie wie ein 70jähriger Hippi aber beide waren emeritierte Kapazitäten in Soziologie.

Die Frage steht jetzt im Raum: Was ist der nächste Sehnsuchtsort? Ich habe keine Ahnung.

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